Samstag, 23. April 2011

Chuckamuck @ Rote Sonne, 20.04.2011


Schon zum zweiten Mal sind Chuckamuck, meine Band der Stunde, jetzt in München. Schon im August letztes Jahr haben die super Leute von Razzle Dazzle im Puerto Giesing ein Konzert mit Chuckamuck organisiert, diesmal luden die super Leute von Club 2 zum Chuckamuck Konzert in die Rote Sonne. Letzten August wusste ich noch gar nichts von diesem Wirbelsturm einer Band; aber auch diesmal, dank Spex bestens informiert und dank Spex-CD sofort angesteckt, sollte ich es dennoch nicht zum Konzert schaffen. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: die Tickets waren schon gekauft. Nur stellte sich blöderweise heraus, dass der Termin mitten im Jahresurlaub liegt. Selbst unsinniges aus-dem-Urlaub-Zurückkehren wurde nicht belohnt: bevor die vier Jungspunde überhaupt die Bühne betraten, mussten wir schon wieder zurück, den letzten Zug nach Oberaudorf nehmen. Na, wenigstens kaufte mir meine Freundin noch die CD als Trost. Statt eines Konzertberichts hier also wie es gewesen sein könnte.

Die Leute treffen nur recht spärlich ein, bis Chuckamuck schließlich die Bühne betreten, sind aber wohl doch so 50 Leute da. Damit ist die Bude zwar alles andere als voll, Chuckamuck lassen sich davon allerdings nicht irritieren und fangen gleich mit dem rasanten Rock ‚n‘ Roll Stück »Outta my Way« an. Das Programm des Abends ist abgesteckt: Ausflippen ist angesagt, wildes Durcheinander, Springen, Tanzen, Pogen auf und vor der Bühne. Auch das nächste Lied »Mars Mandel«, ebenfalls ein unkontrollierter Rock ‚n‘ Roll-Köter, der ebenjenen Schokoriegel anpreist, verspricht dieses schönste aller Konzerterlebnisse.

Gerne würde ich die Band auf den Punkt bringen, aber was soll man machen, wenn Götz Adler in der Sendung »Neuland« bei Byte FM das schon für einen erledigt hat? Am besten wohl einfach Götz Adler sprechen lassen, also: „Endlich, endlich, endlich schafft es hier bei Byte FM mal ein Haufen Rotzlümmel auf den Thron des Albums der Woche. Chuckamuck heißen sie, kommen aus Berlin, das Testosteron und der Alkohol sprudeln gut bei diesem reudigen Quartett. Seit ihren Anfängen vor drei Jahren sind Chuckamuck zu Recht die Lieblinge des Untergrunds der deutschen Hauptstadt, denn mit ihrer Unbedarftheit und Frische in Kombination mit dem unkontrollierten Talent in zweieinhalb Minuten mit einfachen deutschen Worten eine romantische Geschichte von Berlins Straßen, von Saufgelagen oder Begegnungen auf Parties zu erzählen, sind sie erstaunlicherweise ziemlich allein auf weiter Flur. Dabei reden doch immer alle vom Komasaufen. Wo Bitteschön sind die Bands, wo ist das Sprachrohr dazu? Man muss jetzt Chuckamuck auch nicht unbedingt zur Alibi-Band einer anderen Jugendkultur machen. Aber Chuckamuck vermitteln das Gefühl des Vorwende-Berlins mit den Mitteln des Sixties-Power-Garagenpop, der auch seine himmelhochjauchzenden Mitgröl-Momente hat. Und sie zeigen allen langweiligen Tighty-Pants, Indie-Rockbands und hängengebliebenen Progrock-Gitarrenlehrern abenteuerlustig den Stinkefinger. Trinken, Rauchen, Knutschen, feist und vergnügt bis zum Umfallen.“ Genau das ist Chuckamuck und zur Auslebung all dieser jugendlichen Tugenden soll man heute Abend ausreichend Gelegenheit bekommen.


Und dann kommt auch schon eines meiner Lieblingsstücke, »Mein Hund und ich«, mit den fabelhaften und kraftspendenden Zeilen „Ich hab aufgehört zu reden/ Denn dann hab ich/ Mehr Zeit zum Trinken / Ich hab aufgehört zu essen/ Denn dann hab ich/ Mehr Zeit zum Rauchen.“ Affirmation von durch die Mainstream-Kultur als »schlecht« festgelegten Eigenschaften war eigentlich schon immer eine gute Idee, oder? Natürlich ist das Lied in allererster Linie ein Kind gelebter Jugend mit den ihr eigenen Alkoholexzessen und exzessivem Zigarettenkonsum. Aber warum eigentlich wird so etwas stets mit Jugend assoziiert? Leicht überhöht lässt sich das trinken-rauchen-mit-dem-Hund-auf-der-Veranda-abhängen-Dasein des Liedes jedenfalls als angenehmes sich-nicht-Scheren um die spezifischen Anforderungen dieser unserer Zeit an einen Menschen lesen. Im Kern ist aber auch das ein Liebeslied, der Grund all dieser Trinkerei und Raucherei ist nämlich, „dass du weg bist.“ Aber genau in dieser Schlichtheit der Texte liegt ja die Kraft der Lieder und der Charme von Chuckamuck.

Chuckamuck bemühen in Interviews gerne Vergleiche zu den amerikanischen Bands Demon’s Claws oder den Black Lips. Schon grob zehn Jahre im Geschäft und ebenfalls wilden Sixties-Rock ‚n‘ Roll spielend fehlt diesen Bands aber das letzte Quäntchen Frische und Unkontrolliertheit. Es sind Vorzeige-Sixties/Garage-Revival Bands, und als solche ein wenig langweilig, Teil eines Trends, der in den USA seit Anfang/Mitte des letzten Jahrzehnts immer mehr Anhänger findet, und zu denen man auch die fabelhaften Oh Sees zählen darf. Viel passender scheint mir aber, zu behaupten, dass Chuckamuck eine überaus gelungene Kreuzung aus Libertines (und damit aus Rock ‚n‘ Roll all the way back bis zu den Sonics oder Chuck Berry) und den frühen Tocotronic sind. Deutschsprachiger Garage-Pop war noch nie so erfrischend (Gegenbeispiel erwünscht!), die Roheit der Songs spricht für sich, sowohl was die simplen Songstrukturen angeht, als auch die Herangehensweise bei der Aufnahme der Platte. Hier wird bestimmt und gekonnt in eine Lo-Fi-Tradition getreten, die nicht erst mit Tocotronic begann, und die schon gar nicht die Libertines erfanden, zu deren herausragenden Beispielen diese beiden doch so verschiedenen Bands heute aber gehören. Zwar sind die Texte nicht derart neu und sophisticated, wie es die frühen Toco-Texte waren, sie kommen aber genauso aus-der-Hand-geschüttelt rüber, sind die perfekte Entsprechung der primitiv anmutenden Arrangements und der schludrigen Spielweise von Chuckamuck.

Mit dem kleinen Hit »Ostsee« bricht vollends Chaos über die Rote Sonne herein. Alles springt durcheinander hin und her, Sänger und Gitarrist Oska Wald kommt von der Bühne ins Publikum. Ich verliere meine Brille, und ein anderer tritt auch gleich drauf. Egal. Bei einem derart ungestümen Lied schiebt man den Gedanke an die 150 Euro für ‘ne neue Brille leicht beiseite.



Die vier Jungs sind allesamt gerade mal Anfang 20, junge Kerle also, genau wie die Jungs von 100 Robota etwa, oder MIT. Wo 1000 Robota hamburgisch-intellektuell und aufmüpfend daherkommen, und wo MIT mit Kölner Kühle und Abgebrütheit glänzen, verkörpern Chuckamuck wieder einmal die hedonistische Seite Berlins. Dem Perfektionismus von MIT wird Schludrigkeit entgegengestellt. Während 1000 Robota sich offen politisch, anklagend geben, nehmen sich Chuckamuck einfach, was sie wollen, so scheint es.

Nach dem Chaos von »Ostsee« gibt es mit »Dan Treacy« eine kurze Verschnaufpause. Nur zur Akkusitkgitarre trägt Wald eine schon Tausendmal, aber dann genau so eben auch noch nie gehörte Ballade vor, die ein Treffen mit der zeitweise ziemlich tragischen Figur des Sängers der Television Personalities beschreibt. Dan Treacy geht es „okay“, man geht Zitronentee trinken (was mich an die Zitronenbiere der Lassie Singers erinnert, ebenfalls so eine schöne Alltagsbeobachtung). Am Abend gibt’s ein Konzert der TV Personalities und dann muss Dan auch schon wieder weiter, der Protagonist schaut wehmütig dem Flugzeug hinterher. Das Publikum ist pietätvoll genug, um keine Feuerzeuge zu schwingen, auch wenn der Song mit seinen banalen Begebenheiten besonders melancholisch stimmt. Hat man alles schon einmal erlebt, so einen verschlafenen, aber perfekten Tag mit einem Menschen, der dann wieder gehen muss.

Natürlich wollen Chuckamuck vor allem Mädchen zum Tanzen bringen. Das wird auch recht unverblümt im letzten Song des heutigen Abends, »Chuckamuck«, zum Ausdruck gebracht. Hier heißt es „Mädchen aus Hamburg/ Mädchen aus Verona/ Mädchen aus Barcelona/ Mädchen aus Malmö/ Mädchen aus Wien/ Wir sind Chuckamuck/ und wir kommen aus Berlin.“ Zwar sind heute Abend mehrheitlich Jungs da, unter denen, die sich bewegen, sind aber sicher die Hälfte Mädchen, der Plan von Chuckamuck geht also auf.



Eine Zugabe gibt es nicht, wie auch? Die Band hat gerademal ihr erstes Album von guten 35 Minuten Spieldauer (wie zu besten Zeiten des Rock ‚n‘ Roll) veröffentlich. Diese 35 Minuten, genau wie der Abend heute sind jedoch knackevoll gepackt mit Leidenschaft, Spaß und großartigen kleinen Melodien. Noch einmal Götz Adler: „Sicher nicht unbedingt schrecklich originelle Musik aber dafür ganz schön ungewöhnlich in dieser Zeit in Kombination eben mit der Haltung und den Texten und vielleicht deshalb so sympathisch und charmant.“ Word!

Nach dem Konzert legt Upstart noch aus seinem gut sortierten Elektro-Regal auf. Chuckamuck tauchen, nachdem sie ihr Equipment im Tourbus verstaut haben, im tanzenden Restpublikum auf. Ich rede kurz mit ihnen, bin aber vom überteuerten Rote-Sonne-Bier schon zu betrunken gemacht, um wirklich noch etwas heilwegs Vernünftiges herauszubringen. Vielleicht waren das aber auch gar nicht Chuckamuck, Hannes meint nämlich, die wären schon längst weiter ins Atomic.

Chuckamuck: Wild for Adventure
Staatsakt, VÖ: 18.03.2011











-> Chuckamuck
-> Interview mit Chuckamuck bei Dorfdisco

1 Kommentar:

  1. Nett, dass ich hier irgendwie in jedem Posting auch mal so ganz nebenbei auftauche und noch dazu mit meiner bekannt abgeklärt-realistischen Haltung zur Welt, dieses beständig durch Körperhaltung und Blick in den Raum geworfene "Ihr könnt mir schon lang nix mehr vormachen", was natürlich in 80 Prozent der Fälle gar nicht stimmt und bestimmt auch nicht bei dieser Band, weil, das muss man zugeben, das Ganze in seiner völlig zugestandenen und völlig in die Attitüde aufgenommene "Wir erzählen euch nix Neues, aber dafür anders" schon ziemlich frisch daherkommt. Umso erfreulicher, dass diese Band hier ihr erstes Album so richtig rotzig und erfrischend hingeworfen hat ohne allzu große Reflexionen, weil sich mittlerweile sicher herumgesprochen hat, dass man ein erstes Album nur einmal machen kann und dass danach die Spirale fast unvermeidlich musikalisch wie textlich in die Reflexion führt. Wenn ich jetzt Vergleiche finden wollen würde, wie die Band für mich klingt oder woran mich das erinnert, würd ich nur Schelte von Hardy bekommen, weil wir bei aller Einigkeit doch musikalisch die ganz spannenden zehn Meter auseinander sind, deswegen hier mal ganz realistisch-abgeklärt: find ich super die Band, aber ich finds fast noch interessanter wie die mal in drei Jahren klingen oder vielleicht fünf, wenn sich der RocknRoll ein wenig ausgebremst hat. Dass das so kommen wird belege ich frei mit Frank Spilker: "Geschäft bleibt Geschäft, ob du`s tust oder lässt."

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