Sonntag, 28. November 2010

Galeria Autonomica, 25.-27.11.2010

„Urban Contemporary Art“ in einer „off-Location,“ einem Industrie-Loft im Kunstpark? Immer doch! Es ist nicht die erste Ausstellung der Galeria Autonomica, vor drei Jahren von Christoph Pankowski und Christian Minke ins Leben gerufen, es ist auch nicht die erste in München. Und das ganze hält dann auch, was man sich so darunter versprochen hat: junge, hippe Leute wie man selbst mit ein wenig Selbstverachtung einer ist, Puzzle-Teilchen als Pfandmarken für das Bier aus der Flasche, lockerer Umgang mit Zigaretten, zeitgenössische elektronische Tanzmusik und angenehm unprätentiös präsentierte Kunstwerke. Das kann man aus bestimmten Blickwinkeln alles ganz schrecklich und predictable finden, dafür gibt es aber erstmal auch nicht zwingend einen Grund.

Für eine „temporäre Bestandsaufnahme zeitgenössischer Kultur,“ wie es die Homepage verspricht, ist es vielleicht etwas wenig an Kunst, aber so ernst nimmt man sicher auch diesen Anspruch nicht. Ungefähr 30 Kunstwerke also, für die man nun zumindest genügend Zeit hat. Größtenteils gegenständliche Sachen, von Ölgemälden über Kritzeleien auf Pappkarton bis zu found-Object-Collagen und Skulptuern/Installationen. Graffiti fehlt überraschender Weise, aber seit Banksy-Bücher und -Frühstücksbrettchen in jedem sich etwas alternativer gebenden Flag Store verkauft werden, ist das ja auch nicht mehr so „abseits vom Mainstream,“ wie es die Kunst hier sein möchte. Eine Street-Art-mäßige Skulptur kombiniert als Pizzaverpackung verkleidete Betonplatten mit einer echten Pizzaverpackung, eine andere arbeitet mit Wellensittichen und mit Lebkuchenherzen, auf denen Sachen stehen wie „Make Guttenberg not Integration.“ Schrift, die das Kunstwerk betritt. Funktioniert in dem Fall, weil eben auf einem Oktoberfestaccessoire, noch ganz gut, verliert bei den restlichen Kunstwerken aber schnell an Reiz. Vor allem, wenn es sich um Slogans handelt, ganz gleich ob gewitzt („Make Guttenberg…“) oder fad („Wer etwas ist, hat aufgehört, etwas zu sein“). Urban Art – so der Eindruck – scheint aber dieser Tage (und hier) vor allem zu bedeuten, dass die Schrift ins Kunstwerk kommt. Und dazu mal eben Rainald Goetz:

„Text und Bild: ich sah plötzlich die darin eingeschlossene Auseinandersetzung mit melancholischen Momenten. Wenn Buchstaben aus dem Comic und der Werbung ins Gemälde wandern dürfen, Schrift in die Zeichnung, ist auch Melancholie als Thema mit da. […] Warum eigentlich? Das Bild ist dann GEBROCHEN, verletzt, kämpft, ist bedroht. Es hat etwas Verzweifeltes, dieser Übergriff, das Erleiden des imperialistischen Einmarsches des Textes in die Stille der Schau, die Passivität und Wehrlosigkeit des Bildes. Sein nur traurig und überfordert blickender Blick der Hinnahme und Auflehnungslosigkeit. Die Melancholie.“ (Rainald Goetz, Abfall für alle, 165)

Das Einfühlungsvermögen von Rainald Goetz hier ist zu beneiden. In der Galeria Autonomica war ich jedenfalls schon zu unkonzentriert, um bei den einzelnen Bildern – gerade wegen des „imperialistischen Einmarsches des Textes“ – dann mehr die ganzen anderen Sachen eines Kunstwerks in den Blick zu nehmen. Ist aber halt auch nicht der neueste Hut, das Ding mit der Schrift und den Slogans, das törnt dann auch schnell mal ab. Am besten funktionieren dann immer noch die witzigen Sachen, die wischen den Politikkram und die Dissidenzspielereien der Slogan-Bilder so herrlich leichtfüßig vom Tisch. Sind damit natürlich dissidenter und politischer als die Sachen, die sich so offen politisch geben. Mein Lieblingstextbild, auch weil es sich so schön selbst aufs Korn nimmt:

Inwiefern das ganze jetzt am Puls der Zeit oder doch einfach nur jung und (nur? deswegen noch) abseits des Mainstreams ist, kann ich nicht beurteilen. Kommerziell ausgerichtet war das Ganze jedenfalls tatsächlich nicht, ein paar der Künstler dürften in Zukunft aber trotzdem ganz gut über die Runden kommen. Mit Coffee-Table-Book-Kritzeleien zum Beispiel:

Oder mit klassischer gegenständlicher Malerei. Hier mein Darling der Ausstellung:

Später wurde es noch etwas dunkler, die Musik etwas abfahrtiger (am Samstag, dem einzigen Tag, an dem ich da war, richtig gut: Cocolores + Friends), einige Leute tanzten schon, wir saßen ungemütlich auf dem Parkett rum und haben gemütlich geplaudert, bis es irgendwann hieß: Bier leer, Geld alle, Ziesn weg, letzte U-Bahn im Anmarsch, lass ma nach Hause gehn. Ein schöner Abend umringt von vielen erwartbaren und einigen unerwarteten Kunstsachen.

-> http://www.sz-jugendseite.de/js-texte.php?showid=3571 Man kann nie alles sagen: mehr zum Konzept der 48h-Ausstellung, zum Versuch, die junge Münchener Kunstszene zu wecken, und zu den leidigen Münchener Eigenheiten auf der Jugendseite der SZ.

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