Sonntag, 3. Oktober 2010

Herrenmagazin - Das wird alles einmal dir gehören

Weißes, leicht ins Blaue gehendes Cover, seriöse Schrift in Schwarz und Grau. Wo bei Tocotronic derzeit ein Blumenstrauß steht, ist hier ein Häufchen von der Wand gefallener Putz. Das wird alles einmal dir gehören – Nichts? Ein renovierbedürftiger Altbau? Wie dem auch sei, das alles schreit nach Ernsthaftigkeit, Kunstanspruch, blablabla. Und bei Bands aus Hamburg kann so etwas ja durchaus mal gelingen. Umso ernüchternder dann der Eindruck, wenn man sich die Platte anhört. Langweilige, unspektakuläre, todgespielte und todgehörte Gitarrenmusik, irgendwo im viel beackerten Niemandsland zwischen den mittlerweile aufgelösten Schrottgrenze und den mittlerweile ebenfalls aufgelösten Muff Potter. Ein wenig punkig, ein wenig schrammelig, Melodien Fehlanzeige. So etwas wie Eigenständigkeit oder Wiedererkennungsmerkmale könnte man höchstens in der vehementen Mittelmäßigkeit von Herrenmagazin finden. Irrelevant ist gar kein Ausdruck.

Und wie so oft bei Bands, bei denen die Musik nicht auf die Idee kommt auch nur einen frischen Einfall zu haben, wollen die Texte mehr als sie können. Suggerieren undeutlich erkennbare Abgründe, hartes Leben, einmalige Lieben, das Scheitern dieser Lieben und die schier unaushaltbaren Zerreißproben gesellschaftlicher Nonkonformität, wo, ja, wo wahrscheinlich nur ein etwas durch Bandproben und Auftritte aufgemotzter, prekärer Alltag ist. Als Beispiel könnte man jede beliebige Stelle des Albums wählen. Ich mach das eben mal, ein paar Worte aus „Erinnern“: „Du, du wirst dich nicht erinnern/ Wir bleiben stehen dort wo uns keiner sieht/ Ich, ich werd mich nicht erinnern/ Und das ist es, was uns zu Boden zieht/ Und wer fällt, der will auch liegen,/ Und wer liegt, der jagt auch nichts/ Im trüben Glas zur späten Stunde/ schwimmt ein Herz und dann zerbricht's.“ Schwer zu erklären, aber Texte dieser Art wollen mit ihren kräftigen Wörtern und Bildern den ganzen Weltschmerz heraufbeschwören, den es da gibt, bleiben aber zu unkonkret, als dass es einen irgendwie berühren könnte. Und weil ja nun einmal eh schon alles unkonkret ist, wird es schnell beliebig, es reimt sich ja alles so schön.

Die Produktion ist tadellose State of the Art, jedes Instrument ist deutlich heraushörbar, die Stimme ist sogar weniger penetrant in den Vordergrund gemischt, als bei vielen Bands des gleichen Metiers. Aber gerade in dieser Perfektion liegt auch hier schon wieder Mittelmäßigkeit: tausend Bands sind dieser Tage so abgemischt. Derartige Klarheit im Sound bevorzuge ich zwar immer noch zu einem Brei à la Mando Diao, ein bisschen mehr Rowdyness würde der Platte aber trotzdem gut stehen. Es hätte mich nicht gewundert, wenn Moses Schneider da seine Hände im Spiel gehabt hätte, es ist allerdings Torsten Otto, ein Weggefährte Schneiders, der als Produzent verantwortlich zeichnet. Otto und Schneider bilden das Herz der Berliner Produktionsgesellschaft Transporterraum Produktion und zusammen haben sie schon u.a. Tocotronic und Beatsteaks – meines Erachtens nicht zu deren Vorteil – produziert.

„Das wird alles einmal dir gehören“ ist schon das zweite Album einer nicht mehr ganz so neuen Band aus Hamburg, gegründet 2004, erste EP 2005, erstes Album „Atzelgift“ 2008. Gesang und Gitarre steuert Deniz Jaspersen bei, die zweite Gitarre "König Wilhelmsburg" und den Bass bedient Paul Konopacka. Am Schlagzeug Rasmus Engler, den man schon von das Bierbeben, Gary und Dirty Dishes kennen könnte und der außerdem Autor des Buches „Wovon Lebst du eigentlich?“ ist, einem Interviewband über Künstler und deren prekäre Lebensverhältnisse. Diese gute Referenz überrascht etwas, für mehr als gute Connections im Umfeld von Kettcar und Tocotronic scheint sie sich aber bei Herrenmagazin nicht ausgezahlt zu haben.

Die Ernsthaftigkeit von Herrenmagazin funktioniert nicht, weil ihr das Quäntchen Humor und die Leichtigkeit fehlt. Übrig bleibt nur Angestrengtheit und Musik, die so staubtrocken und dröge ist, wie der abgefallene Putz auf dem Cover.

Herrenmagazin: Das wird alles einmal dir gehören
Rent a Record Company, VÖ 03.09.2010

-> http://www.herrenmusik.de/

1 Kommentar:

  1. Auch wenn das Blog nicht mehr weitergeschrieben wird, möchte ich anmerken: Musik, besonders Popmusik in der Muttersprache, ist ein narratives Medium, etwas, das Geschichten erzählt. Da finde ich es unfair, Anmaßlichkeit vorzuwerfen, nur weil es den Musikern nicht so ergeht, wie die Texte es vermitteln wollen. Willst du Tolkien ankreiden, dass er wohl nie einen Schwertkampf mit einem Ungeheuer bestritten hat?

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